Donnerstag, 9. Februar 2017

Nazis, Sozis und die Stadt

Darmstadt Marktplatz Jahrhundertwende
Ich habe mich immer wieder gefragt, wie es eigentlich kam, daß der Altoberbürgermeister Ludwig Metzger, der wegen seiner politischen Überzeugung als Sozialdemokrat 1933 aus dem Staatsdienst entlassen wurde, sich nach dem Krieg mit notdürftig "gewaschenen" ehemaligen NSDAP-Mitgliedern umgab, die die Planung des Wiederaufbaus der Stadt und die Baupolitik der TH besorgen sollten.

Eigentlich war in der an begabten Architekten und Stadtplanern nicht armen Stadt Darmstadt ja genug Sachverstand konzentriert, und zwar ohne braune Flecken auf der Weste. Es hätte ja auch der künstlerisch begabte Otto Bartning werden können, der die Linien der Stadtplanung vorgab, oder der Architekturhistoriker Professor Karl Gruber.


Karl Gruber wurde immerhin in der allzu kurzen Aufbruchsphase nach dem Krieg noch zum Leiter der Wiederaufbaukommission der TH ernannt. Sein Wiederaufbauplan für die Altstadt aber blieb unberücksichtigt.


Nicht Gruber wurde 1946 zum Oberbaudirektor der Stadt ernannt, sondern der Albert-Speer-Jünger und gerade frisch mit einem "Persil-Schein" gewaschene NS-Architekt Peter Grund. Und in seiner Zeit als Kultusminister protegierte ausgerechnet Metzger dann auch noch Grunds Ex-Parteigenossen Herbert Rimpl und Ernst Neufert. Beide gelangten in höchste Ämter an der TH Darmstadt.


Gemeinsam machten sich diese drei daran, die Altstadt im Speerschen Sinne zu dekonstruieren. Dutzende Privatgrundstücke wurden flächendeckend enteignet, die Trümmer der Altstadt mit Bulldozern zum Planum einer überdimensionierten Aufmarschstraße - der Landgraf-Georg-Straße - zusammengeschoben. Auf der südlichen Seite blieb inmitten einer spärlichen Randbebauung eine Brache, die euphemistisch als "Park" deklariert wurde, nördlich machten sich die banalen Zweckbauten der TH breit. 

Mit alten Nazis ... hatte Metzger keine Probleme. Schon 1947 (richtig: 1946) berief er den NS-Architekten Peter Grund zum Darmstädter Oberbaudirektor; zeitgleich erhielten Grunds ehemalige Parteigenossen Herbert Rimpl und Ernst Neufert höchste Ämter an der Technischen Hochschule. Rimpl entwarf den Generalplan für den Wiederaufbau der TH. Neufert stapelte das Gewünschte mit größtmöglicher Rücksichtslosigkeit ins Weichbild der Darmstädter City.
... Gegen Grund hatte Karl Gruber - selber TH-Professor - keine Chance. Gruber hatte schon 1945/46 einen Wiederaufbauplan entwickelt, der behutsam versuchte, Stadtgeschichte und Stadtform in eine der Neuzeit gemäße Topografie zu überführen. Das Grand Design, das nun zum Zuge kam, wischte dagegen alle historischen Grundrisse vom Tisch. (Honold, Echo, Die Tote-Hosen-Zone der TU)
Die Altstadt war damit plattgemacht, im wahrsten Sinn des Wortes, und mit überdimensionierten Straßenbauten zerschnitt Grund anschließend die Neue Vorstadt, Mollers Design.

Die verbleibenden schäbigen Reste erledigte dann der Filz aus "Investoren" - vor allem einem Investor - und einer faulen, korrupten und offenbar nach dem Baustoff Beton süchtigen Koalition aus praktisch allen politischen Parteien Darmstadt. 


Professor Karl Gruber durfte die Stadtkirche wieder aufbauen, mehr nicht. Das Kaufhaus Fuld hinten rechts gehörte einer der einflußreichsten jüdischen Familien Darmstadts. Das Bild muß daher vor 33 und wohl kurz nach der Jahrhundertwende entstanden sein.

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